Sozialmedizinische Nachsorge, Frühförderung, Rehabilitation, Behandlungspflege, ...? Viele Begriffe gibt es, die wir versuchen wollen, laienverständlich zu erklären.
Kinder, die am Wochenende oder in den Ferien bei ihren Eltern zu Besuch sind, haben Anspruch auf anteiliges Pflegegeld. Grundlage hierfür ist § 37 Abs. 2 SGB XI. Die Pflegekassen gehen mit der Anerkennung anteiliger Pflegeleistungen sehr unterschiedlich um.
Uns erreichte die Anfrage zu folgendem Fall: Der Vater eines Jungen, der in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung lebt, möchte für die Zeit, in der der Sohn zu Hause ist (an Wochenenden oder in den Ferien), die zusätzlichen Betreuungsleistungen (jetzt: Entlastungsbetrag) für eine stundenweise Entlastung nutzen. Die Pflegekasse verweigert die Zahlung trotz anerkanntem zusätzlichen Betreuungsbedarfs gemäß § 45a SGB XI. Dabei stützt sie sich wohl auf die Aussage in Abs. 1, Satz 1, dass die Leistungen in diesem Abschnitt (nur) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege betreffen.
Unsere Meinung: Zunächst sollte der Vater auf alle Fälle mit Hinweis auf § 37 Abs. 2 SGB XI die anteilige Zahlung des Pflegegeldes verlangen (1/30 pro Tag außerhalb des Wohnheims). Analog dazu müssten ihm anteilig auch die zusätzlichen Betreuungsleistungen zustehen, denn der Junge wechselt in die häusliche Pflege und ist in seiner Alltagskompetenz immer eingeschränkt, unabhängig vom Aufenthaltsort. Ganz kulante Kassen erkennen die zusätzlichen Betreuungsleistungen in solchen Fällen komplett an, wenn die Kinder an Wochenenden oder in den Ferien bei ihren Eltern sind. Eine unterschiedliche Behandlung, abhängig von der Kasse, darf es nicht geben.
Falls der Vater die Kraft und Nerven dafür hat, raten wir ihm, den Fall durchzustreiten. Manchmal hilft es auch schon, eine „Etage“ über dem Sachbearbeiter anzusetzen oder die Versichertenvertretung in seiner Pflegeversicherung einzuschalten.
Frage: Unser Kind besucht unter der Woche die Kita, d.h. die Pflege wird dort durch andere Personen durchgeführt. Hat das Auswirkungen auf den Pflegegrad?
Unsere Antwort: Die Zuordnung Ihres Kindes zu einem Pflegegrad resultiert aus seinen „gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten", wegen denen es der Hilfe durch andere bedarf. Es zählt zu dem Kreis von Personen, "die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können" (§ 14 Abs. 1 SGB XI). Diesen Hilfebedarf hat der Medizinische Dienst im Rahmen seines Gutachtens ermittelt. Dabei ist unerheblich, wieviele Personen die Pflege leisten.
Die Tatsache, dass Ihr Kind eine Tageseinrichtung oder Schule besucht, wird jedoch von „strengen“ Pflegekassen so ausgelegt, dass sie auf diese Weise als Hauptpflegeperson nicht die für eine gesetzliche Rentenversicherung notwendige wöchentliche Mindestpflegezeit von 14 Stunden erreichen könnten (§ 44 Abs. 1 SGB XI i.V.m. § 3 Nr. 1a SGB VI). Der Medizinische Dienst stellt in diesem Zusammenhang im Einzelfall auch fest, „ob und welchem zeitlichen Umfang häusliche Pflege durch die Pflegeperson erforderlich ist.“
Eine Pflegebedürftigkeit kann dennoch gegeben sein, wenn das Kind zwar motorisch in der Lage ist, alltägliche Verrichtungen auszuführen, jedoch der Unterstützung, Anleitung oder Beaufsichtigung bei den alltäglichen Verrichtungen bedarf, etwa weil es Handlungen nicht in einen sinnvollen Ablauf bringen kann (z.B. Unterhose über die Hose), Handlungsschritte vergisst (z.B. Zähneputzen ohne Zahnpasta) oder unterbricht (z.B. Weglauftendenz).
Bei dieser Form der Hilfe ist maßgeblich, dass die Pflegeperson dabei zeitlich und örtlich genauso gebunden wird, wie eine Pflegeperson, die diese Hilfestellung vollständig oder teilweise übernehmen müsste.
Da aufgrund einer Entwicklungsverzögerung oder geistigen Behinderung die Alltagskompetenzen des Kindes eingeschränkt sein können, sollte man einen Anspruch auf die zusätzlichen Betreuungsleistungen – unabhängig von einer bereits vorhandenen Pflegestufe – prüfen lassen.
Bestimmte Faktoren können die Pflege erschweren und sollten bei der Begutachtung und Einstufung genannt und berücksichtigt werden. „Erschwerend“ ist nicht nur im Sinne von schwer (Gewicht, Kraft) zu verstehen, sondern auch im Sinne von zeitlichem (Mehr)Aufwand, den bestimmte körperliche oder geistige Einschränkungen oder individuelle Verhaltensweisen nach sich ziehen.
Erschwerend kann zum Beispiel eine eingeschränkte Beweglichkeit aufgrund von Spastiken, Lähmungen oder Gelenkversteifungen sein. Eine verminderte Seh- und Hörfähigkeit bedeuten in der Regel, dass einzelne Verrichtungen länger dauern. Eine eingeschränkte körperliche Belastbarkeit, wie zum Beispiel Atemstörungen oder starke nicht behandelbare Schmerzen können dazu führen, dass während des Pflegeprozesses Erholungspausen eingelegt werden müssen.
Zu den Faktoren, die die Pflege erschweren können, zählen auch noch:
Eher selten wird es vorkommen, dass bei Kindern ein Körpergewicht von über 80 Kilogramm die Pflege erschweren.
Bei einem Aufenthalt im Ausland, der länger als sechs Wochen dauert, ruhen in der Regel die Leistungen der Pflegeversicherung.
„Kann ich arbeiten trotzdem ich mein Kind mit Pflegegrad 4 pflege?“ Diese Frage erreichte uns über die Homepage.
Eine Berufstätigkeit ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Eine Vollzeittätigkeit erscheint hinsichtlich der eigenen physischen und psychischen Belastbarkeit jedoch ambitioniert. Die würde nämlich bedeuten, dass neben acht Stunden Beruf noch mindestens fünf Stunden Pflege täglich geleistet werden. Da bliebe für eigene Erholungsphasen und weitere Verpflichtungen wenig Zeit.
Eine Beschränkung der Berufstätigkeit ergäbe sich aus SGB XI § 44: Pflegepersonen sind gesetzlich rentenversichert, sofern mindestens 14 Stunden Pflege wöchentlich geleistet werden – bei Pflegegrad 4 keine Frage bei einer Pflegeperson. Beitragszahlungen in die Rentenversicherung durch die Pflegekasse erfolgen jedoch nur, soweit die Pflegeperson nicht mehr als dreißig Stunden wöchentlich berufstätig ist.
Viele Sozialleistungen, darunter auch die sogenannten Hartz4-Leistungen oder die Hilfe zur Pflege, werden einkommensabhängig gewährt. Doch nicht alle Einnahmen zählen zum Einkommen.
Zu den nicht als Einkommen zu berücksichtigenden Einnahmen zählt u.a. das Pflegegeld, das dem Familieneinkommen im Falle der Pflegebedürftigkeit eines Familienmitglieds zufließt.
In der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld ist in § 1 formuliert, dass die nicht steuerpflichtigen Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind.
Für Hartz4-Bezieher*innen stellt die Webseite hartz4.net hilfreiche Informationen zur Verfügung.
Die Pflegeversicherung (SGB XI) wurde geschaffen, um die Lage von pflegebedürftigen, alten Menschen zu verbessern. Aber auch Kinder können Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung haben.
In den Begutachtungsrichtlinien (BRi) steht dazu: „Die Einschätzung der Pflegebedürftigkeit bei Kindern folgt grundsätzlich den Prinzipien der Erwachsenenbegutachtung ... Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass bei Kindern in der Bewertung allein die Abweichung von der Selbstständigkeit und den Fähigkeiten altersentsprechend entwickelter Kinder zugrunde gelegt wird." (BRi, Seite 108)
„Tabellen zur Abbildung des altersentsprechenden Selbstständigkeitsgrades/der altersentsprechenden Ausprägung von Fähigkeiten bei Kindern" beginnen in den BRi auf Seite 110.
Was sich aus diesen Überlegungen für die Begutachtung von Kindern ergibt, beschreiben die BRi auf mehr als 80 Seiten. Es gibt noch viel deutlichere, individuelle Unterschiede zu beachten als bei den Begutachtungen von Erwachsenen. Es ist zu erwarten, dass zu den Pflegegraden von Kindern laufend Gerichtsentscheidungen nötig sein werden.
beitragen.
Die Pflegekassen sollen Pflegebedürftigen technische Pflegehilfsmittel zur Verfügung stellen (§ 40 Abs. 3 SGB XI). Das Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandens weist folgende Hilfsmittel zur Erleichterung der Pflege aus:
Aufwendungen bis zu einer Höhe von monatlich 40 Euro (ab 01.01.2015) werden von der Pflegekasse für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel übernommen (§ 40 Abs. 2 SGB XI). Das Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes weist folgende zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel aus:
Unter Pflegehilfsmitteln zur Linderung von Beschwerden weist das Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes Lagerungsrollen aus.
Unter Pflegehilfsmitteln zur selbstständigeren Lebensführung/Mobilität weist das Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes Notrufsysteme für den häuslichen Bereich aus.
Unter Pflegehilfsmitteln zur Körperpflege/Hygiene weist das Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes folgende Hilfsmittel aus:
Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, haben sich an den Kosten für Pflegehilfsmittel mit Ausnahme der zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel mit 10% oder höchstens 25 € zu beteiligen. Kinder sind von der Zuzahlung befreit.
Im Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes sind die Pflegehilfsmittel explizit aufgeführt. Bei entsprechender Indikation muss die Kasse die Kosten übernehmen.
Die Ausführungen sind aber nicht erschöpfend, sondern nach mehreren Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) nur eine Arbeitshilfe. Das Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes sieht zum Einen Sonstige Pflegehilfsmittel vor, die sich keinem anderen Teilbereich des Hilfsmittelverzeichnisses zuordnen lassen. Zum Anderen können nicht aufgeführte Produkte im Rahmen einer Einzelfallentscheidung (nach entsprechender Begründung) bewilligt werden. So können z.B. zum einmaligen Gebrauch bestimmte Servietten aus stark saugfähigem Papier in der Form eines Lätzchens bei übermäßigem Speichelfluss erstattungsfähig sein, obwohl sie nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind (BSG, Urteil vom 15.11.2017, B 3 P 9/06 R).
Nachdem der Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit gestellt worden ist, empfiehlt es sich, ein Pflegetagebuch über mehrere Tage zu führen.
Es hilft dabei, sich gut auf den anstehenden Besuch des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vorzubereiten und sollte dem Mitarbeiter des MDK bei seinem Besuch vorgelegt werden.
Ein Pflegetagebuch sorgt dafür, die gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und den damit verbundenen Pflegeaufwand tagesstrukturiert darzulegen – zugegebenermaßen ein mitunter schmerzhafter Prozess für die Eltern. Entsprechende Vordrucke sind über Beratungsstellen oder Verbraucherzentralen zu beziehen oder stehen nach Eingabe des Suchbegriffs „Pflegetagebuch“ bei verschiedenen Quellen im Internet zum Download zur Verfügung.
Natürlich kann dieses Tagebuch auch in freier Form angelegt werden. Das möchten wir aber nicht empfehlen, weil dadurch zuviele Aspekte unerwähnt blieben, die Einfluss auf das Begutachtungsergebnis haben könnten.
Frage: Wir haben einen zweijährigen schwerbehinderten Sohn mit Hydrozephalus, Schwerhörigkeit, Epilepsie und globaler Entwicklungsstörung. Wir suchen verschiedene Betreuungssmöglichkeiten für ihn, damit wir eine kleine Auszeit zwischendurch haben. Er geht in die Kita, hat Pflegegrad 3 und hat Anspruch auf den Entlastungsbetrag.
Unsere Antwort: Für eine stundenweise Betreuung können Sie sowohl die Verhinderungspflege als auch den Entlastungsbetrag einsetzen. Allerdings sind die Voraussetzungen unterschiedlich, um diese Leistungen nutzen zu können:
Zu welchen Tageszeiten Sie die Betreuung – egal ob Verhinderungspflege oder Entlastungsbetrag – in Anspruch nehmen, ist jeweils Verhandlungssache.
Eine anerkannte Schwerbehinderung führt nicht automatisch auch zur Anerkennung eines Pflegegrades. Hierbei handelt es sich um unterschiedliche Anspruchsgrundlagen und Zuständigkeiten!
Die Höhe des Schwerbehindertengrades und die Zuordnung bestimmter Merkzeichen können jedoch Indikatoren für eine mögliche Pflegebedürftigkeit sein. Zunächst einmal wird über die Anerkennung einer Schwerbehinderung erst entschieden, wenn sich eine gesundheitliche Beeinträchtigung dauerhaft (mehr als sechs Monate) in allen Bereichen des täglichen Lebens bemerkbar macht. Auch eine Pflegebedürftigkeit wird nur bei dauerhaftem Hilfebedarf anerkannt.
Der Grad der Behinderung (GdB) wird danach definiert, wie sehr sich die gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Alltag auswirken. Je höher der GdB, umso höher die Beeinträchtigung. Die Merkzeichen geben darüber Auskunft, welche praktischen Auswirkungen mit der Beeinträchtigung verbunden sind.
Die Mobilitäts-Merkzeichen G, aG und B indizieren für sich allein in aller Regel wahrscheinlich keine Pflegebedürftigkeit. Das gleiche lässt sich annehmen bei den Merkzeichen Bl und Gl.
Beim Vorliegen des Merkszeichens H sollte, sofern noch nicht geschehen, ein Antrag auf Anerkennung der Pflegebedürftigkeit bei der Pflegekasse gestellt werden.
Frage: Unsere vierjährige Tochter ist entwicklungsverzögert. Sie kann sich örtlich schlecht orientieren und hat nur ein geringes Schmerzempfinden. Am meisten macht uns ihre starke Weglauftendenz zu schaffen, durch die wir sie keinen Moment aus den Augen lassen können. Die Deutsche Bahn hat vor kurzem die Bahnstrecke direkt hinter unserem Grundstück wieder in Betrieb genommen. Das ist lebensgefährlich für unser Kind, falls sie uns doch einmal ausbüxen sollte! Unsere Tochter hat den Pflegegrad 3. Haben wir eine Möglichkeit, die komplette Umzäunung unseres recht großen Grundstücks aus der Pflegeversicherung zu bezahlen?
Antwort: Uns sind keine Fälle bekannt, in denen nicht direkt mit der Wohnung in Zusammenhang stehende Maßnahmen als sogenannte Wohnumfelverbesserungen durch die Pflegekasse anerkannt wurden.
Da Sie berichten, dass Sie bisher die stundenweise Betreuung Ihrer Tochter aus eigenen Mitteln bezahlen, sollten Sie zügig nach einem sogenannten niedrigschwelligen Betreuungsangebot Ausschau halten, bei dem Sie den Entlastungsbetrag einsetzen können. Das entlastet schon einmal das Portemonnaie und Sie könnten das gesparte Geld für den Zaunbau einsetzen. Ebenso können Sie dafür natürlich auch das monatliche Pflegegeld nehmen.
Haben Sie schon die Idee gehabt, der Deutschen Bahn Ihr Problem zu schildern? Vielleicht erklärt sie sich ja bereit, sich an den Zaunkosten zu beteiligen...
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